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Donnerstag, 14. September 2006

Unnütze Bücher über unnützes Wissen

In seinem 290 Seiten dicken Buch „Die Bildungslüge“ wettert Werner Fuld gegen die Vermittlung von „totem Faktenwissen, das mit der Lebensrealität nichts zu tun hat“.
Als Schülerin könnte ich der These zu stimmen – oberflächlich. Bei tieferer Beschäftigung mit dem Buch – kurz: beim Lesen – werden einige seltsame Ansichten und erschreckende Anschauungen deutlich. Fuld meint, sinnloses Wissen – unter anderem Faust im Bücherkanon – sollte nicht mehr gelehrt werden. Nur wozu beginnt er sein Buch mit einem 30-seitigen vor unsinnigen Details und Schachtelsätzen nur so strotzenden Kapitel ÜBER Faust? Zahlreiche Argumente dafür, das Faust schlecht ist in allen Ehren, aber etwas weniger hätte es auch getan. Ähnliche (und ebenso langweilige) Essays folgen, ausschließlich über Literatur (Der Arme Poet, Jean Paul, Platon,...). Des Autors größtes Problem scheint einerseits zu sein, dass die jungen Menschen keinen Sinn für Ästhetik mehr haben, andererseits hält er Stil unterschwellig für ineffizient. Seine Einteilung von ästhetisch und geschmacklos ist sowieso fragwürdig. Es geht im Beispiel um eine Umfrage, ob die Passanten bei Wasserknappheit ihre Ration zu trinken oder rasieren verwenden würden.(Er nennt Letzteres Charakterisierung des Individuums)„ Im schlechtesten Falle käme [...] heraus, dass jeder das tun soll, was er will. [...]das für demokratische Freiheit halten. [...] Zwei junge Mütter wollten in der Münchner >>Pinakothek der Moderne<< ihren Kleinkindern die Brust geben und setzten sich dazu in die Design-Abteilung. Eine Aufsichtsdame verbot [...] das Stillen [...] es sei „unästhetisch“.“ Der Chef mahnte die empörten Frauen zur „Rücksicht auf das internationale Publikum“.
Fuld klagt über das mangelnde Stilbewusstsein der „mit Wissen abgefüllten Akademikerinnen
ohne Einsicht in das Ungehörige ihres Tuns“ In einem Museum für Moderne Kunst von unästhetisch bei einer ganz normalen (nicht sexuell belegten!) Sache zu sprechen und einfach blanken Hohn und ekelerregend. Einem Kind die Aufmerksamkeit zu verweigern,nur weil ein Amerikanischer Tourist, der den Spring Break in seinem Heimatland hat sich gestört fühlen könnte, das ist „ungehörig“. Nicht, es zu füttern (und moderne Kunst auszustellen und sich dann über das Slebstverständnis der Frauen zu mokieren, ist paradox).
Wegen der Internationalität meinen auch viele, es seien „halt andere Sitten“, wenn Menschen bei Ehebruch gesteinigt werden. Ach wirklich? Da wir immer groß und breit proklamieren, dass „Ausländer gleichberechtigte Mitmenschen sind“, müssen wir da nicht auch dafür sein, dass sie eben MENSCHENRECHTE besitzen?

Das Buch besticht durch seine extreme Langatmigkeit und verworrenen Thesen, die keine neuen Einblicke gewähren.

Buchrücken:
„...fordert eine radikale Änderung unseres Bildungsbegriffes..“
So? Radikal sind seine Ansichten, aber sie haben schlicht und ergreifend nichts mit Bildung zu tun, zeigen keine Strategien, keine Ideen auf.
„Denn sonst findet die Zukunft ohne uns statt.“
Ich hoffe nur, die Zukunft findet ohne solche Bücher statt.

Trackback URL:
https://kalima.twoday.net/stories/2645572/modTrackback

Sam (Gast) - 14. Sep, 21:27

Deine Buchbesprechung sollte in eine Zeitung, in die Literaturbeilage der ZEIT- mindestens.

Zur Mutterbrust, der kulturunverträglichen: Ich bin einmal, stillenderweise an einem sonnigen Eck einer grossen Freitreppe sitzend, als "Sau" angezischelt worden von einem, der sich natürlich nicht mehr erinnern konnte, das auch er mal ein hungriges Baby war. Ich war aber gerade so entspannt und hormonvernebelt, dass ich erst viel später drauf gekommen bin, dass er damit auf mein Stillen abzielte. Ich dachte tatsächlich, er fände es säuisch, einfach auf dem Boden zu sitzen.

Trotzdem, unglaublich, der Vorfall in der P.d.M. Dass sich die Mütter diesem absurden Argument unterworfen haben ist noch unglaublicher. Aber ich weiss aus eigener Erfahrung, dass man in der Stillzeit sowas von "sanftmütig" bis schutzlos unterwegs ist, dass man sich kaum wiedererkennt beim Zurückerinnern. Vielleicht ist das der Grund, dass Mütter nicht selbstverständlich stillen (dürfen/wollen) wo und wann das Baby Hunger hat.

nakry (Gast) - 16. Sep, 11:17

Ich habe einen Fan ... ;-)

(allerdings anscheinend nur einen leser, obwohl der Counter etwas anderes sagt)
Martin (Gast) - 21. Sep, 16:42

Wissen != Wissenschaft

Die Nützlichkeit von Wissen liegt im Auge des Betrachters. Für mich ist Goethes Faust genauso wenig wegdenkbar wie das Höhlengleichniss. Menschen die behaupten, das bestimmte Teile der menschlichen Geistesgeschichte irrelevant währen misstraue ich zutiefst. Zum einen besitzen Menschen etwas das Sie gesunden Menschenverstand nennen. Dies befähigt mich zum Beispiel das 'Anarchitic Cookbook' oder 'The Soviet Art of Brainwashing' zu lesen ohne das ausprobieren zu müssen. Das befähigt Dich einen 290 Seiten starken Wälzer zu lesen und dem Autor dennoch zutiefst zu misstrauen.
Dieser gesunde Menschenverstand kommt nicht daher, das irgendwer Dir gesagt hat was du zu lesen hast und was nicht. Die Frage was man bei Wasserknappheit mit seinem Wasser macht ist manipulativ und kurz gesagt Scheisse. Erstens versucht sie eine Dualität zu erschaffen zwischen 'Leben' oder 'Schön sein' die so nicht existiert. Man kann in einer Wasserknappheit seine Ration zum Beispiel einem guten Freund geben und tausend andere Dinge mehr. Und zweitens ist Wasserknappheit ein für einen zivilisierten mitteleuropäischen Passenten unvorstellbarer Zustand. Wenn man diese Frage einem Afrikaner stellen würde ... die Tracht Prügel hätte man mehr als verdient.
Das Bild in dem Museum hat für mich hauptsächlich mit dem unterdrückten Kinderwunsch der Aufsichtsdame zu tun. Kein Mensch ohne solche merkwürdigen Blockaden im Hirn würde auch nur ansatzweise auf die Idee kommen, das stillen etwas ist das nicht in die Öffentlichkeit gehört. Der Grund warum sich überhaupt jemand durch eine stillende Mutter gestört fühlt ist in seinen eigenem Bündel an Sexualproblemen und Liebesmangel zu verstehen. Und indem er sich darüber mukiert und sich gleichzeitig hinter dem 'Bedürfniss' amerikanischer Touristen versteckt stellt er sich das größte Armutszeugniss auf dem Gebiet aus.

Ich kann Dir nur zustimmen, das die Zukunft sich hoffentlich nicht in diese Richtung entwickelt. Aber dummerweise sieht es im moment genau so aus.

Auch wenn ich Dir viel Kontra liefere bin ich übrigens auch ein Fan ;) Kling warscheinlich komisch, ist aber so.

Nakry - 22. Sep, 19:00

Kontra- solange es konstruktiv ist- ist immer nützlich. Man hinterfragt seine eigenen Überzeugungen. Und mir fallen einige kleine Schwachstellen eher auf.
Sei nur froh, dass wir uns nicht persönlich kennen. Kritik nehme ich normalerweise nämlich nicht so locker... ;-)
Nakry - 22. Sep, 19:19

ACHTUNG SUBJEKTIV! ;-)
Nun ich mag etwas Literaturunterricht geschädigt sein*
aber ich kann dem traditionellen, hochgelobten Literaturkanon wenig abgewinnen. Sicher, es ist nun mal Weltliteratur, aber das ist Harry Potter oder das Parfüm auch. Trotzdem ist die Weisheit dahinter nicht wirklich groß und zeimlich weltfremd. Was ist an Schiller besser als an anderen Autoren? Shakespeare, was die Lesenden im Original genauso ächzen lässt wie in der Übersetzung?
da lerne ich lieber Chinesisch. (übrigens kein Scherz)
Ich bin weit davon entfernt, antike/frühere Philosophie und geistige(usw.) als Unsinn abzutun, aber das meiste ist eben nicht mehr relevant.

Sicher, für den Autor des von mir beschriebenen Buches mag eine Andere Art von Wissen wichtig sein. Aber warum verhält er sich so ambivalent? Beschwört einerseits "nützliche Fakten" und ergeht sich dann in Kapiteln voller Goethe? Wer ein Literaturbuch will, sucht ja auch woanders.

*(wenn, dann aber auch nur marginal, da ich , jepp, Menschenverstand besitze und nicht nur Fantasyromane[wie so viele andere] lese, ich nehme an, ich habe mindestens so viele Bücher gelesen wie sämtliche meiner Mitschüler zusammen. Obwohl die nicht lesefaul sind. Aber ich kann in einer Minute 4,5 Seiten(vorder- und rückseite) auf Deutsch und 5 auf Englisch lesen, das hilft.)

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Was auch immer geschieht, nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, zu trinken. Erich Kästner Augenblicklich - Fotos des Tages

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